Hunde haben ein ganzes Repertoire an Verhaltensweisen, mit denen sie versuchen, ihren Willen durchzusetzen. Oft sind sie damit geradezu außerordentlich erfolgreich. Viele Menschen merken nicht, wie sie von ihrem Hund an der Nase herumgeführt werden.
Dabei werden die Hunde selten aggressiv oder versuchen, sich mit Gewalt durchzusetzen. Viel häufiger starten die Hunde eine Charme-Offensive, mit der sie ihre Menschen um den Finger wickeln. Die betroffenen Hundehalter merken oft nicht, dass bei ihnen der Hund bestimmt, was wann gemacht wird.
Das Problem dabei ist, dass der Hund auf diese Weise zum Rudelführer gemacht wird. Ein Hund, dessen Bitten und Forderungen erfüllt werden, wird deshalb im Zweifel die Kommandos seines Herrchens eher nicht ausführen.
Fordernde und bittende/bettelnde Verhaltensweisen
Hunde kennen viele verschiedene Verhaltensweisen, mit denen sie ihre Bedürfnisse, aber eben auch ihre Forderungen kommunizieren. Man muss sie kennen, um nicht auf sie hereinzufallen.
Der bettelnde Hund am Esstisch
Jeder kennt das Bild des bettelnden Hundes am Esstisch. Er schafft es, halb verhungert auszusehen, er blickt einem treuherzig in die Augen und er wedelt freundlich mit dem Schwanz.
Blickkontakt wird von Menschen meistens als Zeichen von Aufmerksamkeit und freundlicher Zuwendung interpretiert, unter Hunden bedeutet es aber Dominanz. Nur der Ranghöhere darf den Rangniedrigeren mit Blicken fixieren. Der Hund, der seinem Menschen direkt in die Augen schaut, nimmt sich also schon ganz schön etwas heraus. Durch die Fehlinterpretation der Menschen wird seine aus Hundesicht dreiste Forderung dann auch noch erfüllt. Dadurch lernt er, dass dieses Verhalten erfolgreich ist. Es ist in zweierlei Hinsicht erfolgreich: Der Hund bekommt die begehrten Brocken vom Esstisch und er setzt sich durch, bestätigt also seine dominante Stellung in der Familie.
Ein bettelnder Hund ist also keineswegs ein unterwürfiger Bittsteller. Er ist eher einem dominanten Befehlsgeber zu vergleichen.
Anspringen
Das Anspringen ist ein Relikt aus der Welpenzeit, als die Welpen durch Anstupsen eines erwachsenen Hundes an der Schnauze diesen zum Hochwürgen von vorverdautem Futter animierten. Beim Menschen ist der entsprechende Körperteil so weit oben, dass er eben nur mit Springen zu erreichen ist. Anspringen ist also kein Ausdruck von Zuneigung oder von Freude, sondern eher eine Forderung, sich jetzt sofort intensiv mit dem Hund zu beschäftigen. Wenn es funktioniert, wird der Hund das immer wieder tun.
Anstupsen mit der Pfote oder der Schnauze
Der Hund hebt die Pfote, stupst seinen Menschen eventuell auch mit der Pfote an. Dies ist eine Bettelgeste, die auch als Pföteln bezeichnet wird. Es ist ein Überbleibsel des Milchtritts des Welpen, der durch diesen Reflex dafür sorgte, dass die begehrte Quelle nicht versiegte. Auch der erwachsene Hund verwendet diese Geste, um Forderungen zu stellen. Zum Anstupsen wird oft auch die Schnauze verwendet, so wie es der etwas ältere Welpe auch schon getan hat. Da dieses Verhalten von Menschen oft als freundliche Zuwendung oder als Ausdruck von Zuneigung interpretiert wird, bekommt der Hund erstaunlich oft, was er auf diese Weise einfordert.
Kopfauflegen und Aufreiten
Der Hund legt seine Schnauze auf das Knie seines Menschen und guckt unglaublich treuherzig. Unter Hunden ist das Kopf auflegen eine Dominanzgeste, die man sich von seinem Hund nicht gefallen lassen sollte. Eine Steigerung ist das Aufreiten, bei dem es ebenfalls um den Ausdruck von Dominanz geht. Das Aufreiten ist kein Ausdruck fehlgeleiteter Sexualität, sondern eine Dominanzgeste.
Die Spielaufforderung oder Spielverbeugung
Bei dieser Geste legt der Hund Oberkörper und Vorderpfoten flach auf den Boden, während das Hinterteil in die Luft zeigt. Damit fordert der Hund nicht nur Artgenossen, sondern auch seine Menschen zum Spielen auf. Da unter Hunden eher der Ranghöhere den Rangniedrigeren zum Spielen auffordert als umgekehrt, ist auch dieses Verhalten ein Alarmzeichen, dass mit der Rangordnung etwas nicht stimmen könnte.
Blickkontakt
Nur der Ranghöhere darf den Rangniedrigeren anstarren, ihm direkt in die Augen blicken. Wenn der Hund seinem Menschen tief in die Augen blickt, ist das also der Versuch, ihn zu dominieren, ihm seinen Willen aufzuzwingen.
Erfolg und Verhaltensvariationen
Nicht alle Hunde zeigen die gleichen Verhaltensweisen, wenn sie ihre Forderungen durchsetzen wollen. Hunde sind lernfähig, sie merken schnell, womit sie bei ihren Menschen Erfolg haben und womit nicht. Da Menschen besonders auf die Gesten reagieren, die im menschlichen Sinne als freundlich, unterwürfig und zugewandt interpretiert werden, zeigen die Hunde eben auch diese Gesten besonders häufig. Einfach deshalb, weil sie am erfolgreichsten sind.
Forderndes Verhalten und Rangordnung
Hunde leben in hierarchischen Beziehungen. Ein Hund, dessen Forderungen erfüllt werden, bekommt dadurch in seiner Sicht automatisch einen höheren Rang im Rudel/in der Familie. Das berechtigt ihn zu weiteren Forderungen und eben auch zur Befehlsverweigerung.
Es ist also eine gute Idee, die Forderungen des Hundes nicht zu erfüllen und dadurch den Hund wieder erziehbar und folgsam zu machen. Es ist wichtig, dass der Hund in der Rangordnung des Rudels, der Familie ganz unten steht. Wenn man sich vom treuherzigen Blick seines Hundes erweichen lässt, verhindert man dies. Den Schaden haben beide, Hund und Halter.